Elisabeth Wagner

Elisabeth

Symposium Vortrag:

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Dr. phil. Elisabeth Wagner befasst sich als Soziologin und als Praktikerin mit dem Thema SM. 2014 erschien ihre Doktorarbeit mit dem Titel „Grenzbewusster Sadomasochismus. SM-Sexualität zwischen Normbruch und Normbestätigung“. In dieser Studie befasste sie sich mit dem Thema gesellschaftlicher Regulierung und Normierung von Sexualität.
Elisabeth Wagner lebt in Frankfurt am Main und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität des 3. Lebensalters an der Goethe-Universität. Hier leitet sie Seminare zu aktuellen sexualwissenschaftlichen Fragen, sexueller Vielfalt und sexuellem Wandel.

  

  

  

Strategien der (Selbst)Normalisierung im SM als Potential für eine Kritik an geschlechtlicher Ordnung

Sexuelle Liberalisierung, wie wir sie in den vergangenen 20 Jahren im Westen erlebt haben, im Sinne einer zunehmenden Akzeptanz von sexuellen Praktiken wie dem SM, kommt Menschen zweifellos zugute. Heute gilt SM als weitgehend im Mainstream angekommen und als frei verfügbar. Demgegenüber hält sich hartnäckig ein Skandalisierungs- und mindestens ein hohes aufmerksamkeitserzeugendes Potential, wenn in der Öffentlichkeit von sadomasochistischen Praktiken die Rede ist. Wir haben es also mit zwei gleichzeitig wirkenden Mechanismen zu tun, das Versprechen von Freizügigkeit und die anhaltende subtile Androhung von Pathologisierung oder Marginalisierung.

Wie nehmen nun diejenigen, die sich selbst als Sadomasochisten/SMler/BDSMler verstehen, diese widersprüchlichen Mechanismen auf und zur Kenntnis?

Welche Rolle spielt das Wissen über SM für den eigenen Umgang mit dem Thema SM?

Anhand von Interviews ließ sich zeigen, dass SM-Praktizierende erhebliche Anstrengungen unternehmen, sich in einer Nähe zur Norm zu positionieren.
Diese 'Arbeit', die SM-Praktizierende im Rahmen ihrer Selbstklärungen und ihrem Umgang Außenstehenden gegenüber leisten, habe ich analysiert und das implizite Wissen, auf das sich SM-Praktizierende beziehen, sichtbar gemacht. Dabei zeigte sich, dass diese „Arbeit an Grenzen“ einerseits notwendig ist, um Sicherheit im Umgang mit SM zu gewinnen, Grenzen auszuloten und als vertrauenswürdig zu gelten. Es wurde aber auch deutlich, dass der stete Abgleich mit einer angenommenen Norm dazu führt, den eigenen Freiraum normativ zu begrenzen, sich also selbst zu normieren.

Am Beispiel des Umgangs mit machterotischen Praktiken zeigte sich, dass sich (nicht nur heterosexuelle) Frauen und Männer in unterschiedlicher Weise aufgerufen sehen, ihre machterotischen Bedürfnisse zu legitimieren und mitunter darum ringen, ihre geschlechtliche Identität zu verteidigen, zu festigen. Diese Legitimationsstrategien, wie ich sie nenne, lassen sich aber produktiv wenden, indem man sich diese vergegenwärtigt, sich also beispielsweise fragt, auf welches Wissen beziehe ich mich, wenn ich erkläre, dass ich „im Alltag sonst eher dominant bin“. Ob und wie damit SM wieder ein durchaus kritisches Potential zurückgewinnen kann, möchte ich mit den SM-Praktizierenden und den an SM Interessierten diskutieren.

  

  

  Portraitphoto: © unbekannt